Winterfreuden
Jedes Jahr so ab Dezember hat die Mittelstädter Kinderschar gelauert, bis der erste Schnee fiel. Es hat sich schnell herumgesprochen, wo schon „bahnet“ war, im Diess, im Lodenberg, im Bergsteig aber am besten en de Schmittla. Da wurde dann bei guten Bahnverhältnissen eine „Bettelfuhr“ mit zwei Schlitten gemacht. Vorne saß ein meist etwas älterer Schlittschuhlenker und ab gings in rasendem Tempo und viel Geschrei, möglichste bis übers Hommeles Haus hinaus. Die Sache war nicht ungefährlich, es gab einige schwere Unfälle.
Ein herrliches Wintervergnügen war das Schlittschuhlaufen auf dem zugefrorenen Neckar. Beim Weggehen wurde man ermahnt, ja nicht auf den Neckar zu gehen. Dies wurde fest versprochen – und ab gings Richtung Neckar.
Mit was für Schlittschuhen man fuhr, ist heute unvorstellbar! Dauernd verlor man die Absätze vom einzigen Paar Schuhe das man hatte, wegen den angeschraubten Schlittschuhen. Auf dem Neckar herrschte ein munteres Treiben und besonders im Jahr 1946, als der Neckar fest zugefroren war, war viel los und ein illustres Publikum war zugange. Die besten Paarläufer war der damalige noch ledige Ortpfarrer, der mit seiner Partnerin, einem jungen Mädchen aus dem Dorf, in punkto Paarlauf einiges zu bieten hatte. Da das Parr dauernd von Halbwüchsigen umringt und mit Zurufen belästigt wurde, verzog es sich in Richtung Schütte, um dort in Ruhe seine Runden drehen zu können. Die ganze Meute folgte. Doch – oh Schreck – da war das Eis nicht so dick! Plötzlich verschwand der Pfarrer mitsamt Partnerin in einem tiefen Loch! Alle standen wie erstarrt ein Stück von dem Loch und sahen, wie die beiden zappelten und strampelten und nach Luft schnappten. Niemand rührte sich vom Fleck, bis der Pfarrer in einer Auftauchphase schrie: Holt Leiter und Seile, schnell! Da legte sich ein Junge auf das Eis und streckte seinen Eishockeyschläger in Richtung Loch. Der Pfarrer schrie: Zuerst die Elsbeth, zuerst die Elsbeth! Also zog der Junge zuerst die Elsbeth aus dem immer größer werdenden Loch und dann den Pfarrer. Die beiden schüttelten sich und liefen jetzt einzeln nach Hause. Zwei Stunden später im Konfirmandenunterricht warteten alle gespannt, aber nichts passierte, es war wie immer.
Jahre später, der Junge war bei einem Motorradunfall während der Kirchgangszeit tödlich verunglückt. Das wurde ihm vom Pfarrer am Grabe vorgehalten, wäre es beim Kirchgang zur Stelle gewesen.
Quelle: unbekannt